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Ostholsteiner Anzeiger vom 28. Juli 2001

Aspekte des Weiblichen

Die Ausstellung >>Nichts überstür Zen<< im Wasserturm

In einer Bühnenwand blaudurchschimmernder Seidenpapierbahnen zeigt sich ein Gesicht, das kopfüber und flackernd ausgeleuchtet im blauschwarzen Licht alter Videos eindringlich einen seltsamen Text flüstert: In den Eutiner Wasserturm ist der Mythos eingezogen - nicht unpassend für Eutin als einstige Wirkungsstätte des Homerübersetzers Johann Heinrich Voss. Für die dritte Ausstellung dieses Sommers konnte der Verein OHa-Kunst nach langen Bemühungen Ulrike Rosenbach gewinnen, eine neue Video-Installation zu zeigen.

Die Kunstgeschichtsschreibung nennt die Kölner Künstlerin eine „Begründerin der feministischen Videokunst". Seit 1971 stellte die Bildhauer-Meisterschülerin aus der Klasse Joseph Beuys damals technisch noch ziemlich mühselig zu erstellende Videokunst aus. Bereits 1976 hatte sie einen Lehrauftrag für feministische Kunst in Los Angeles und ein Jahr später sorgte ihre Arbeit „Herakles-Herkules-King Kong: Das Klischee „Mann"" für Diskussionsstoff auf der documenta 6.

Vielfach bilden seitdem die Mythen der griechischen Vorstellungswelt die Folien für Ulrike Rosenbachs Performances und Videos, in denen sie ihre Positionen mit einst kämpferisch feministischem, heute zumindest dezidiert weiblichem Blick formuliert. So steht auch die neue Eutiner Videoinstallation der 1989 zur „Professorin für neue künstlerische Medien" an der „Hochschule für bildende Künste Saar" in Saarbrücken Berufenen in einem größeren Werkzusammenhang: Mit der „Nichts Überstür-Zen" betitelten Arbeit führt Ulrike Rosenbach ihren Zyklus zum Thema „Psyche und Eros" weiter.

Der Lebensweg der schönen griechischen Königstochter Psyche, führt durch schwere Prüfungen zur Verklärung durch die personifizierte Liebe. Der von Ulrike Rosenbach in Eutin aufgegriffene Moment ihrer Geschichte hat passenderweise direkt mit einem Turm zu tun: Die neidisch konkurrierende Göttin Aphrodite, Mutter von Psyches Liebhaber Eros, stellt dieser als letzte der immer schwerer werdenden Prüfungen, die Aufgabe, ein Schönheitsmittel aus dem Hades zu holen. Verzweifelt über die eigentlich menschenunmögliche Aufgabe, will sich Psyche von einem Turm stürzen, um schneller zu Persephone in die Unterwelt zu gelangen. Doch das rührt sogar den steinernen Turm. Da in alter Zeit die Dinge noch sprechen konnten, gibt er Psyche zu bedenken, dass der schnelle Weg nicht immer der richtige sei, und entwickelt einen besseren, genauen Plan, der später auch weitestgehend zum Erfolg führen wird.

Doch dieser zweifellos zeitlos aktuelle Hinweis, lieber nachzudenken und zu meditieren, statt blind zu agieren, ist nur ein Aspekt von Ulrike Rosenbachs Arbeit. Einen Schlüssel bietet die Installation selbst. Denn auch  das düster-leuchtende Seidenpapier, das nach der Methode einer liegenden Acht - dem Zeichen der Unendlichkeit - zwischen die sonst metallisch  glänzenden Wasserrohre verspannt wurde, lässt sich symbolisch verstehen: Im Allgemeinen als Verwicklungen des Lebensweges und im speziellen als die Windungen des Gehirns. Zudem spielen heilige Bänder auch in antiken Tempeln und in Ulrike Rosenbachs Performances eine wichtige, teils abgrenzende, teils verbindende Rolle. Vor dem in verschlungenen Seidenpapier eingebunden Videobild steht ein kleiner zweiter Monitor, auf dem die im Turm verhallend geraunten Textauszüge zu lesen sind. Und dessen rotes Kabelknäuel mag den Betrachtern als hilfreicher Ariadnefaden ins Labyrinth des Mythos dienen.

Die literarische Quelle für den Mythos um „Amor und Psyche" ist das amüsante und sprachlich komplexe Buch „Der goldene Esel" des spätrömische Autors Apuleius. Was da ein weltgewandter Römer detailverliebt aufnimmt, war schon zu seiner Zeit ein Märchen aus alten Tagen. Und wenn Geschichten so lange eine Bedeutung haben, liegt es nahe, in ihnen archetypische Konstellationen zu vermuten: Hier bei Psyche geht so gesehen um verschiedene Stufen der Individuation der Frau vom träumenden Mädchen zur reifen Frau. Und Psyche zeigt einen Weg, der nicht auf kämpferische Konfrontation setzt, wie es die Amazonen tun, sondern durchaus bereit ist, Rat anzunehmen und auf Hilfe durch die Kräfte der Natur zu vertrauen. Ohnehin geht es ja bei alledem nicht um eine Auseinandersetzung von Frau und Mann, sondern um übergreifende Aspekte des Weiblichen und Männlichen, wie sie in allen Menschen anteilig vorkommen. Und so wird der Wasserturm Eutin zu einem Ort des Nachdenkens über die Quellen psychischer Befindlichkeiten.

Hajo Schiff

 

Kieler Nachrichten vom 24.07.2001

Installation hoch oben in Eutin

Magie im Wasserturm

Fast magisch wirkt die Installation hoch oben im Eutiner Wasserturm: im abgedunkelten Raum läuft ein Video mit der permanenten Untersicht auf einen weiblichen Kopf, der Monitor in schwarzes Seidenpapier drapiert. Eine beschwörend gedehnte Stimme spricht dazu ein Textfragment der Psyche-Geschichte aus der griechischen Mythologie, das in Worten auch auf einem kleinen Zusatzmonitor zu verfolgen ist. Gelegentlich finden sich Orte für Ausstellungen, die besser kaum sein könnten. Beim Verein OHa-Kunst im Wasserturm ist das jetzt der Fall mit jener Video-Installation von Ulrike Rosenbach, die spätestens seit ihrer documenta-Beteiligung 1977 als eine der wichtigsten Vertreterinnen feministischer Video-Kunst gilt.

Mehrfach schon hat sie sich mit der Königstochter Psyche beschäftigt, jener Gestalt der griechischen Mythologie, die wegen ihrer betörenden Schönheit heftig von der Göttin Aphrodite beneidet wird.

Auf der Suche nach ihrem Geliebten Eros wird Psyche von Aphrodite vor hinterlistig-gefährliche Aufgaben gestellt, welche die zarte Schönheit verzweifeln lassen. So will sie in größter Ausweglosigkeit ihrem Leben ein Ende bereiten und sich von einem Turm stürzen, in der Hoffnung auf Erlösung in der Unterwelt. Doch der Turm spricht zu ihr und warnt sie vor jenem übereilten Schritt, weil es danach keine Rückkehr mehr gibt.

Diesen Ausschnitt der Geschichte führt Ulrike Rosenbach in Eutin als Endlos-Schleife vor - ein für sie typisches Prinzip des Geschichten-Erzählens in minimalistischer Form. In vielen ihrer Arbeiten hat sie dargelegt, wie man durch Hürden im Leben lernen kann.

Die in Saarbrücken lehrende Video- und Performance-Künstlerin spricht von "Initiationsritualen", die einen Menschen reifen lassen. Es sind, so Rosenbach, "psychologische Modelle für den Lebensweg des Menschen - sie sollen helfen Krisen zu überstehen".

Mit nur wenigen Sätzen aus dem griechischen Text sind diese Zusammenhänge auf den Punkt gebracht. In dem halb verdunkelten Raum entfaltet das schwarze Seidenpapier vor den Fenstern und um den Monitor herum seine Wirkung. Eines der spitzbogigen Fenster spiegelt sich schemenhaft auf der Mattscheibe des Monitors wider, als könne man durch ihn hindurchsehen in eine andere Dimension - und doch wird gerade so alles immer wieder auf den entscheidenden Punkt gerichtet: den Menschen selbst, der zum verantwortlichen Handeln in seinem Lebensweg geleitet werden soll. Der Titel Nichts über stürzen ist ein ironisierend-deutlicher Fingerzeig auf den Sinngehalt dieser Installation.

Jens Rönnau

 

 

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